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10.05.2015 Warum nur?
"Wohin gehst du?" "Wahrscheinlich nach Japan. Oder bei genügend Zeit um die Welt." Vewirrter Gesichtsausdruck, dann Zweifelnder, dann Interessierter. "Das ist aber weit." "Mhm, sehr sogar." "Aber warum, warum machst du das?" Diese eine Frage hörte ich bereits vor und auch jetzt wärend meiner Reise. Dazu habe ich nachfolgend drei Varianten einer Antwort. Der verehrte Leser darf selber auswählen, welche ihm als Grund zusagt.

Antwort A: Mir geht es darum die Welt zu erkunden. Menschen kennen zu lernen. Unterwegs zu sein. Abenteuer zu erleben. Fremdes Essen zu probieren. Motorrad fahren. Mich auf Unbekanntes einlassen. Den Horizont erweitern. Vorurteile widerlegen. Ausserdem Überzeit abbauen.

Antwort B: Die Ratte Charly liebt Sushi. Aber gar nicht zu fliegen. Auf dem Discovery Channel hat sie nun gesehen, dass das beste und frischeste Sushi in Japan serviert wird. Also will sie nun dahin. Ist aber immer noch das Problem mit dem Fliegen: weder macht sie es gerne, noch fand sich eine Fluggesellschaft, welche Ratten in die Kabine lässt. Also bleibt der Landweg. Nur ist dieser für eine Ratte nicht ganz risikolos. Somit komme ich ins Spiel. Keiner will eine nicht wunschlos glückliche Ratte in seiner Nähe haben, viel zu gefährlich. Also fahre ich jetzt mit Charly nach Japan. Den Rückweg mit dem Flugzeug habe ich bis jetzt verschwiegen.

Antwort C: Ich will. Ich kann. Grund genug.


Charly, die Ratte, am Schwarzen Meer. Hilft Türen zu öffnen, Kinder zu begeistern und das Eis zu brechen. Ein Motorradreisender dachte hingegen, der Kerl müsse enorm einsam sein, um mit einem Stofftier zu reisen.



03.05.2015 Haare lassen in Istanbul
Heute wurde mir von einem Türken den Kopf gewaschen. Aber so was von.
Dabei war alles Ronnys Idee, den erzgebiergischen Motorradreisenden, welcher mich auf dem Weg nach Istanbul getroffen hat. Gut, ich war auch dafür, aber schlussendlich war er die treibende Kraft. Die Suche gestaltete sich schwieriger, als zuerst gedacht. Ist ja meistens so, mit den Suchen. Denn gestern Abend, als wir unseren Entschluss gefällt haben, da war das Viertel voll von Möglichkeiten. Aber heute war eben Sonntagmorgen, das ist was anderes als Samstagabend kurz vor Mitternacht. Nach einigem systematischen ziellosen umherirren wurden wir doch noch fündig, die grosse Aufschrift "Vulcan" am Fenster las sich vielversprechend. Kurz von aussen reingeäugt, Lokalität betreten, freundlich begrüsst worden und fix den Preis ausgehandelt. Wurde zwar schlussendlich teurer, aber der abgemachte Betrag war ja auch nur für die Basisleistung. Oder es wurde teurer weil wir eben Touristen sind. Schlussendlich egal, es war es allemal wert.
Ronny war als erster dran. Seine Idee, sein Kopf. Und den musste er jetzt auch hinhalten. Meine nicht nur durchwegs immer gute Erfahrung mit solchen Aktivitäten lehrten mich, zuerst einmal schauen, wie sie das Handwerk beherrschen. Kann sonst fatal sein. Ronny ist unbedarfter, es ist sein erstes Mal. Bevor nun mit dem Wesentlichen begonnen wurde, brachte der Meister erts mal Kaffee und Zigaretten. Grossartige Geste, der Mann versteht etwas von Dienstleistungsservice. Kundenbindung und -vertrauen herstellen auf höchstem Niveau. Ist ja eigentlich auch nötig, konnte es doch rasch lebensbedrohlich sein, man offenbart sich äusserst verletzlich in gänzlich wildfremde Hände, bietet quasi die Kehle schutzlos für den tödlichen Biss, respektive Schnitt, an. Da ist so eine Zigarette und ein Schluck süsser Kaffee eine nervenberuhigende Sache, auch wenn es sich um Nescafé handelte und ich eigentlich Nichtraucher bin. Hier, so finde ich, kann ich durchaus anmerken, dass im Land des türkischen Kaffees erstaunlich oft Nescafé angeboten wird. Ich wusste gar nicht, dass das Zeugs noch hergestellt wird, aber zumal ist Cloney wenigstens noch in diesem Teil der Erde nicht eingefallen. Wie auch immer, Ronny ging an den Start, nahm Platz auf dem einladenden Stuhl, der eher einem Sessel glich, der Meister nahm Mass und die Geschichte seinen Lauf.
Das Gesicht von Ronny wurde nach den ganzen Schutzmassnahmen, um ein Versauen der Kleidung zu vermeiden, ordentlich mit einem Rasierpinsel eingeseift. Ronny entspannte sich zusehends, wenigsten so lange, bis er hörte, wie das Rasiermesser vorbereitet wurde. Leider arbeiten sie auch hier vorwiegend mit Einmalklingen. Mit der einen Hand wird dann die Haut gespannt, mit der anderen ie Barthaare sauber weggeschnitten. Mit ziemlich geübten Handbewegungen ging das sehr fix, es folgte der zweite Schnitt und das Ausarbeiten des kleinen Haarteil am Kinn, welches noch stehen bleiben sollte. Und es auch bis am Schluss tat. Die Seifenresten abgewaschen und die gestresste Haut mit einer grünen Paste eingestrichen, dann war ich an der Reihe. Ich wollte keine Rasur, dafür einen Haarschnitt. Am Schluss hatte ich beides, einfach weils so schön war. Mittels Maschine wurden meine Seiten gestutzt, dann fürs Haupthaar auf die Schere gewechselt. Zwischendurch gönnte man sich einen einen Schluck Kaffee und eine weitere Zigarette. In der Zwischenzeit hatte die grüne Paste in Ronnys Gesicht Zeit zum Trocknen. Und wie aus dem Physikunterricht bekannt, zieht sich eine Materie mit dem Verlust von Wasser zusammen. Diesen Umstand spürte nun auch Ronny und ich fand es der gegebene Zeitpunkt um dumme Sprüche zu reissen. Das Schauspiel im Spiegel war allerliebst.
Der Meister war mit dem Schneiden fertig, meine Gesichtsbehaarung bekam eine türkische Trimmung und den feinen Ohrenhäärchen aussen an der Ohrenmuschel wurde mit einem Feuerzeug zu leibe gerückt. Dann eben kriegte ich den Kopf gewaschen. Für mich ungewohnt am Ende des Haareschneidens und nich wie bei uns zu Beginn. Dabei macht es für mich am Ende, um die Haarschnipsel loszuwerden, viel mehr Sinn. Jedenfalls war es eine Kombination von waschen und massieren, einfach wunderbar. Der letzte Teil hingegen war weniger Wunderbar. Zur Erfrischung patschte mir der Meister eine wohlriechende Flüssigkeit ins Gesicht, aber vermutlich hat er durch den Zigarettenqualm die falsche Flasche erwischt. Jedenfalls fühlte sich das Zeug in meinem Gesicht wie Batteriesäure an und ich verstand augenblicklich für was der Namen am Fenter des Ladens stand. Dann war ich durch, der Meister wendete sich dem grünen Gesicht zu. Ronny, sichtlich froh die Paste loszukriegen erhliet noch eine Gesichtmassage, ebenfalls den Kpf gewaschen und die Haare abgesengt. Dann meinte er mit einem unglaublich entspannten Gesichtausdruck zu mir:"Wau, wie neu geboren!" In den Augenwinkeln sah ich, wie der Meister nach der Flasche mit der Batteriesäure griff. Ronnys Gesicht wurde flächig rasiert, also hat seine Haut auch flächig kleinste Mikroschnitte. In Vorfreude auf das kommende Schauspiel zogen sich meine Mundwinkeln leicht nach oben. Ronny hätte mit der richtigen Deutung meines Grinsens erahnen können, dass etwas nicht stimmte. Tat er aber nicht. Und so wurde es, wärend ich mich anders positionierte um einen besseren Blick auf das Geschehen zu kriegen, tatsächlich wie bei einer Geburt: lautes Geschrei und ein lavarotes Gesicht.


Der Meister mit ruhiger Hand an meiner Kehle, Shrek im Hintergrund

Der Meister mit dem frisch geborenen Ronny
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