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29.04.2015 Thun, CH km 24'020 - 04.05.2015 Kurucasile, TR km 26'808
Um ein Wiener Schnitzel zu zubereiten, welches den Namen auch wirklich verdient, organisiert der Kenner ein Stück zartes Kalbsfleisch, vielleicht vom Stotzen, was weiss ich. Auf Zimmertemperatur gebracht und durch einen fachkundigen Schmetterlingsschnitt den Querschnitt des Stückes verdoppelt, wird es mittels Fleischklopfer auf die richtige Schnitzelgrösse gebracht, etwa zwei bis drei Handflächen gross und 3-4 mm dick. Dazu schlägt der Koch mit bedachtem Kraftaufwand und ziemlicher Ausdauer auf dasd Fleisch, bis es die gewünschte Dimension erreicht hat. Nach 2788 km auf einer einzylinder KTM LC4 640 Adventure fühlt sich mein Arsch nun wie nach exakt 376 Wiener Schnitzel-Fleischklopfprozeduren an, aber ich zweifle berechtigterweise daran, das es der Zartheit etwas gebracht hat. Zumindest wurde mir das fürs fertige Schnitzel erforderliche Panieren ud Fritteren erspart.

Klagen will ich nicht. Die Sicht aus meinem verfallenden Hotelzimmer auf das kleine Hafenbecken mit dem winzigen Stand am schwarzen Meer macht vieles wett. Und schliesslich war auch die ganze Fahrt, Kilometer für Kilometer, ereignisreich. Nach dreitägiger Verspätung fuhr ich am 29.04.2015 bei prächtigem Wetter in der Schweiz los, begleitet von meinem Schwesterchen auf ihrer BMW 650 GS. In Gondo nach dem Simplonpass musste sie leider umkehren, mit einem blauen L am Heck wurde ihr die Weiterfahrt verweigert. Auf bekanntem Weg via Milano und Venedig düste es mit ordentlichen Vibrationen Richtung Triest. Mautstelle um Mautstelle, Raststätte um Raststätte, Tanken und Espresso trinken. Oh ja, richtig gute Espressos! Vermutlich die letzten für 6 Monate. Diesem Umstand bewusst, fuhr ich mit entsprechendem Koffeingehalt in den Blutbahnen. 100 km vor Triest in einem Agriturismo übernachtet und ein wenig das Motorrad umgepackt, und am nächsten Tag weiter.

Zusätzlich zu den Mautstellen und Raststätten kamen nun die Grenzstellen.  Slowenien, Kroatien und Serbien, zack durchfahren, so einfach kann Reisen zwischen Ländern sein. Den Menschen in Serbien welchen ich begegnet bin, sind allesamt wunderbar, freundlich, begeistert und zuvorkommend. Der erste zählt nicht, das war ein Grenzbeamter, der musste dienstlich bedingt und befehlsgetreu das Beamtengesicht aufsetzen. Somit ist der erste Serbe ein Angestellter in einem winzigen gelben Kassenhäuschen an der Autobahnmautstelle. Mit einer Begeisterung fürs Motorrad vergass er beinahme mich passieren zu lassen, kann aber auch sein, dass es wegen dem zu geringen Betrag war, den ich rüber reichte. Jedenfalls lächelte er unaufhörlich. Der Tankwart an der lang ersehnten Tankstelle - ich sah vor meinem geistigen Auge mich bereits das Motorrad schieben und die Arbeitskollegen schadenfroh lachen, denn zwei Tankstellen waren mir nichts dir nichts ausser Betrieb, aber das sah man erst, wenn man auf den verfallenden Vorplatz einbiegen wollte - war noch begeisterter, fuhr er doch auch Motorrad, also unbedingt Foto machen für die digitale Ewigkeit. Belgrad begeisterte mich, wundderbare Stadt, sie schrie völlig nach möglichen Abenteuern und bettelte um entdeckt zu werden. Leider reichte diesmal die Zeit dazu nicht, durch den Balkan wollte ich möglichst schnell vorwärts kommen. Nicht wegen möglicher schweizerischen Vorurteile, sondern weil es relativ nah und somit später mal machbar ist. Das erste B&B war leider voll, der Besitzer, Milos (wo finde ich das verdammte Zeichen fürs "s" auf dieser Tastatur?), 24 Jahre alt, in Australien aufgewachsener Banker, jetzt lieber Gastgeber in schönen Haus, organisiert mir Geschichten erzählend eine andere Bleibe. Naheliegend, dass wir uns später in einer Kneipe trafen, mit seinen Freunden weiter quatschten und gutes Bier tranken.

 
Mehr erfahren über Belgrad: ich, Besitzerin des Lokals, Milos, Vsilisa (Französischübersetzerin) und der Besitzer des Lokals (und MMA-Kämpfer))
 
Alles via Autobahn weiter, später wegen Bauarbeiten auf Hauptstrasse durch enges Tal weitergefahren. Bei der Vesper auf Mundart (der meinen, nicht der lokalen)gefragt worden: "Was macht ein Berner in Serbien?" "Durchfahren nach Japan.", so meine Antwort. Der Fragende, Ernst, ein IT-Manager aus der Schweiz, mittlerweilen in Bulgarien tätig und sowohl im Job wie auch in der Liebe glücklich fündig geworden, war gerade auf dem Weg mit seiner Liebsten nach Belgrad um das verlängerte Wochenende zu geniessen. Die Einreise nach Bulgarien dauerte 45 Minuten, verlief aber Problemlos und begleitet von einem Lächeln der Grenzbeamtin. An etlichen Tierkadavern am Strassenrand vorbei raste ich in Richtung Sofia, immer weiter Richtung türkischer Grenze. Im Rückspigel macht ich dann mal irgendwann etwas aus, dass ich für einen fehlgeleiteten Marschflugkörper hielt, beim Näherkommen entpuppte sich das Ding aber als Motorradreisender. Der Ronny aus Ostdeutschland auf einer MZ, wie es sich auf der nächsten Raststätte herausstellte. Er hat gut 3 Wochen Ferien zur Verfügung und will den Iran anschauen. Sein Ziel ist die Türkische Grenze und so fahren wir auf Grund verschiedener Reisegeschwindigkeiten weiter. Für beide ist die Grenze noch zu weit, wir treffen und für die Übernachtung und Grillfleisch in einem Hotel.
 
Ronny und seine MZ auf dem Weg in den Iran
 

Einreise in die Türkei
 

Istanbul ist alles andere als zum Einschlafen
 
Beide beschliessen wir gemeinsam weiter nach Istanbul zu reisen, dort einen Tag die Stadt anzuschauen und dann weiter Richtung Iran zu ziehen. An Tankstelle fährt eine fette Choper an mit einem Päärchen aus Östereich. Beide sind auf dem Weg in den Iran. Das Motorrad hat 200'000 km auf dem Buckel, alles selbst gefahren. Der Fahrer hat Baujahr 1941, ist ehemaliger Fernfahrer und hat demenstprechend Fernweh. Seine Frau begleitet ihn nun auf den Trips und ist froh und uns zu sehen. Vielleicht weil es beruhigend ist, nicht der einzige mit speziellen Reisezielen zu sen. Ca. 10 km vor Istanbul fängt der Verkehr an. Meine Hemmung, mich zwischen den Kolonnen und dem Standstreifen fortzubewegen verfliegt ab der ganzen Winkerei der Autofahrer, ich solle doch weiterfahren. Die Übermut und die Einschätzung der eigenen Motorraddimensionen wurde durch eine freundliche Leitplanke wieder korrigiert. Die Koffer halten sowas zum Glück ja aus. Nachrund 2 h waren wir an der berühmten Brücke zwischen Europa und Asien. Wir liessen uns die Überahrt nicht entgehen, obschon wir auf europäischer Seite übernachten wollten. Trotz Slefies wärend der Überquerung, es blieb eine einfache Brücke und der Aisatische Kontinent fühlte sich nicht anders an. Also zurück ins Verkehrsgewühl, nach türkischem Empfinden nichts aussergewöhnliches, dass gehe zweimal täglich so. Hotel war relativ schnell gefunden, nicht sehr günstig, dafür zentral. Motorräder abladen und Istanbul bei Nacht betrachten war angesagt.


Hagia Sophia 
 

Christliche Symbole in der Hagia Sophia. Ursprünglich eine Kirche, dann Moschee, jetzt Museum. 
 
 
Geschäftiges Markttreiben. Beim Eingang hats fliegende Händler mit vielen elektronischen Geräte zweifelhaften Ursprungs.
 

Blaue Moschee. Wunderschönes Gebäude.
 

 
Blaue Moschee. Getrennte Bereiche für Betende und Touristen. Und für betende Frauen. Alle machen das gleiche: Fotografieren, Schwatzen, Telefonieren.
 

 
Bis spät am Abend immer was los. Dafür am Morgen eher ruhig.
 

 
Mitten in Istanbul, zwei Motorräder vor dem Hotel. Sicherer als in Milano.
 
Wäsche waschen zu lassen, türkischen Friseur aufsuchen und Touristensachen bestaunen, das war unser Schlachtplan. Gestört wurde er nur durch einen kurzen Regen, den wir sinnvollerweise durchschliefen. Die obligate Wasserpfeife genossen wir mit eiener Menge türkischen Tees in der Nähe des überdachten Marktes, der leider Sonntags geschlossen war. Dank türkischer Gastfreundschaft und Androhung meinerseits das nächste Fussballländerspiel zu gewinnen, durften wir trotzdem kurz rein um diese imposanten Marktkomplex zu bestaunen.

 
Brücke zwischen den Kontinenten
 
 
Ronny und ich auf dem asiatischen Kontinent
 
Montag ist Arbeitstag, also ist weiterfahren angesagt, bin ja schliesslich nicht in den Ferien, sondern am Reisen. Kleiner, aber anstrengender und feiner Unterschied. Auf dem asiatischen Kontinent trennen sich die Wege von Ronny und mir, ich verfahre mich erst mal, um dann von einer Polizeimotorradekorte auf dem Standstreifen eskortieren zu werden. Er hatte wohl Bedauern mit dem verkehrsregelgläubigen Schweizer in der Kolonne. An der Südküste des Schwarzen Meers entlang reiste ich weiter in Richtung Osten. Unglaubiche Unterschiede und Gegensätze das ganze Land scheint frisch aufgebaut zu werden, überall Bazustellen, Häuser, Komplexe und Autabahnen entstehen an den unglaublichsten Orten. Dann wieder alte Gebäude und Leute in improvisierten Behausungen. Nach einem kargen Landstrich führte die Küstenstrasse durch grüne Hügel durch riesige Haselnussplantagen. Werde mich beim nächsten Backen bestimmt daran erinnern. Nach 400 km Tagesettappe hatte ich genug und suchte mir ein Hotel im kleinen Fischerdorf Kurucasile (und wo ist jetzt das Schwänzchen fürs "s"?).

 
Am Schwarzen Meer. Ist aber auch blau. Und Kamera habe ich auch schräg gehalten. Verdammt.


Super, und die Cumulus-Karte habe ich zu Hause vergessen.
 
 
Küstenstrasse. Ideal für mit dem Motorrad.
 


Kurucasile 
 
Den 5. Mai verbringe ich beim Entspannen. Ausschlafen, retablieren und an der Homepage basteln stand an. Abgelenkt wurde ich bloss auf der Suche nach dem Abendessen duch drei Jungs, welche mich aufforderten mit spazieren zu kommen.  Allesamt Studenten in der hiesigen Schiffskonstruktionsschule, welche dann mit mir Raki trinkend und Fische essend den Abend verbachten.

Ich reise zwar alleine, aber einsam bin ich nie.


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