optionx logo Logbuch Geschichten Material Crew






17.05.2015 Syunik, Armenien km 28'771 – 04.06.2015 Bajgiran, Iran km unbekannt
Mir fehlen die Worte. Mein Wortschatz reicht nicht aus, ich brauche Deutschunterricht, einen Duden. Nein, der wird nicht ausreichen. Ich müsste die grossen Bibliotheken dieser Welt durchforsten, die Bücher der grossen Meister schöner Worte lesen. Die geschichtenschreibenden Genies unserer Zeit fragen, für die anderen bin ich zu spät. Aber ich bin mir gewiss, dass es auch dann schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein dürfte, die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Iraner in Worte zu fassen.

Die Bewohner des Landes von dem mich zu Hause und unterwegs die meisten Leute gewarnt haben. In dieses Land reise man nicht. Ich sei verrückt. Zweifelsohne völlig richtige Diagnose, aber nicht bezüglich der Reise. Interessanterweise hat keiner dieser Propheten dieses Land je zuvor besucht, das ganze Wissen stammte aus dem grossartig informierten, objektiven und tiefgründigen Tagesfernsehen oder aus verschwendeter bedruckter Zellulose der täglich erscheinenden Verzerrblätter. Den Kopf würden sie mir abschneiden, oder ich käme bei einem dieser zahllosen Bombenattentate ums Leben. Überhaupt sei diesen Arabern nicht über den Weg zu trauen. Dass die Iraner keine Araber, sondern Perser sind, erscheint nebensächlich. Und Perser ist auch nicht korrekt, so ist der Iran ein Vielvölkerstaat. Unter den Ethnien kommt es ab und an zu gewissen Spannungen, aber die werden in der Regel ohne grösseren Waffengebrauch geklärt. In unserem sicheren Staat brauchts für Gewalttätigkeiten nicht einmal unterschiedliche Ethnien, ein Fussballspiel reicht für Randale und ein grösseres Polizeiaufgebot aus. Bombenattentate? Beim Letzten, welches mir spontan einfällt, scheint der Urheber aus einem offiziell demokratischen Staat zu kommen, aber der schweigt wie gewöhnlich zu den Vorwürfen. Jedenfalls habe ich bis jetzt noch keinen Selbstmordattentäter mit umgeschnallten Plutoniumstäben gesehen, die Menschen hier strahlen auch ohne Uran ganz doll. Kehle durchgeschnitten hatte mir nicht mal der Coiffeur in Hamedan, der hätte die allerbeste Gelegenheit dazu gehabt. Ums Motorrad muss ich mich auch nicht sorgen, schliesslich ist es Iranern bei empfindlichen Strafen verboten, ein Zweirad über 250 ccm zu fahren.

Wie so oft hat vieles auf dieser Kugel mit Politik zu tun, schade nur, folgen ihr der jeweiligen so viele ohne Vorbehalte und ohne das eine oder andere kritisch zu hinterfragen. Nun genug der Politik, schliesslich soll vom Reisen berichtet werden, aber eben, ganz ohne gehts nicht.

Ganze 6 Stunden befand ich mich auf iranischem Hoheitsgebiet, als ich bereits das erste Mal zum Abendessen und Übernachten eingeladen wurde. Eigentlich war es nach 3 Stunden, denn die Hälfte der Zeit im Iran verbrachte ich bis dahin mit dem Grenzübertritt. Obschon der an und für sich sehr Schmerzfrei über die Bühne, respektive Grenze, ging. Bei der Ausreise aus Armenien registrierte ich mit Erstaunen, dass die Grenzkontrollen und -formalitäten durch russische Beamte und Soldaten erledigt wurden. Zweifelsohne an den Uniformen (was ja in diesem länderspezifischen Zusammenhang nicht überall und immer so einfach ist), dem Portrait von Herrn Putin an der Wand hinter der Grenzbeamtin und der gehissten russischen Nationalflagge erkennbar. Anscheinend traute nicht nur der Westen dem Iran nicht. Wider erwarten blickte ich weder auf der einen noch anderen Seite in dunkle Läufe polierter Kalaschnikows oder Maschinengewehren. Der Suchhund der Iraner döste, seinen Meistern gleich, im Schatten seiner Hundehütte. Irgendwer hat es anscheinend für nötig befunden, diese im selben staubigen grün zu streichen wie die Grenzwachthäuschen, welche Liebe zum Detail. Wahrscheinlich war es schlicht zu heiss um gross zu kontrollieren und zu durchsuchen und ich hatte den guten Rum aus meinem Flachmann am Vorabend unnötigerweise der bestimmungsgemässen Vernichtung zugeführt. Aber ich wollte nicht riskieren, dass einerseits die dunkle Flüssigkeit im Wüstenstaub versickerte und nicht durch meine Kehle rann, anderseits der iranischen Strafvollzugsbehörde Anlass zu irgendwelchen Beanstandungen geben. Jedenfalls durchlief ich die zwei Interviews mit den Grenz- respektive dem Ministeriumsbeamten mit Bravur, der Ministeriumsbeamte war sogar richtig nett, wobei bekanntlich ja die Netten die gefährlicheren sind. Mehr Zeit brauchte die KTM für ihren ganzen Papierkram. Der Beamte für das Carnet de Passage musste für eine iranische Minute weg, kam nach 10 Europäischen zurück und entschuldigte sich für weitere 5 Iranische. Ich sah ihn nach einer Weile in den mit „Moschee“ angeschriebenen Raum verschwinden und hatte für die religiösen Verpflichtungen vollstes Verständnis. Als immer mehr Leute in den Raum schlichen und dann noch einer mit zwei grossen Boxen Lunch und einem Sack Zwiebeln folgte, war ich mir nicht mehr so sicher, ob in dem Raum nur gebetet wurde. Nach total 50 Minuten (europäischen) warten fragte mich ein anscheinend wichtiger Beamter, weshalb ich immer noch hier sei. Ich erklärte die Sachlage, sein Gesicht verdunkelte sich um 2-3 Blenden und er bat mich, noch eine Minute zu warten. Ich lächelte müde, worauf er versprach, dass es eine echte Minute sein werde. Mein Beamter erschien nach 57 Sekunden leicht geknickt und mit den Resten eines hastig verschlungenen Mittagessen auf seiner Kleidung zurück am Schalter, haute eine Unmenge an Stempeln auf das Carnet, kritzelte die Daten in sein Buch und das Prozedere war nach 5 Eurominuten erledigt. Vom Zoll interessierte sich niemand für mich, der Weg war frei.

Entlang des Grenzflusses Rud e-Aras führte mein Weg gut beschützt durch die Wachttürmen auf aserbaidschanischer und den kleinen Bunkern auf iranischer Seite nach Jolfa, auf passablem Highway nach Marand und schliesslich nach Salmas, wo ich kurz für Benzin stoppte. Diese kurzen Stopps, so machte ich im Iran die Erfahrung, führten meist zu den tollsten Erlebnissen. In diesem Fall wurde ich von einem jungen Iraner gefragt, ob ich schon gegessen habe. Ich verneinte und voilà! hatte ich eine Einladung für das Nachtessen. Dass ich eigentlich noch weiter nach Urmia wollte, wedelte er mit der ersten Begründung „das geht nach dem Essen auch noch“ und mit der zweiten „dafür ist es viel zu spät, fahre nicht im Dunkeln“, ab. Ich folgte seinem Auto zu seinem Haus, respektive - wie er mir bei der Ankunft erklärte – zu dem seiner Eltern. Diese waren anscheinend über mein Kommen informiert und begrüssten mich wie einen lang abwesend gewesenen Freund der Familie. Tee wurde serviert, ich zum Hände und Gesicht waschen geschickt und derweil durch die Mutter den Tisch gedeckt. Ablehnen war unmöglich, ich sollte es kein einziges Mal schaffen im Iran. Mit dem Abendessen wars nicht getan, sobald mein Magen gefüllt war (die ihrigen schienen ihnen nicht wichtig zu sein), verfrachtete mich die Familie ins Auto um mir die Stadt zu zeigen. Viel wurde gefragt und erklärt, wies denn so ist in Europa, wie ich den Iran finde, dass sie iranische Aserbaidschaner seien, die Regierung das Übel des Landes sei und ob ich Eis mag. Eis schmatzend fuhren wir zu ihrem Haus zurück, die Gespräche gingen bis weit nach Mitternacht weiter. Zum Schlafen teilten sich Mutter und Vater den Teppich des einen Zimmers, die beiden Söhne (22 und 16 Jahre, aber beide wirkten jeweils 5 Jahre älter) legten sich auf den Boden des Zweiten und ich bekam das einzige Bett im Haus zugesprochen. Licht aus, Privatsphäre durch offene Zimmertüre und halbhohe Wände eher untergeordnet, und ab ins Traumland. Früh wollte ich los, auch dies eher schwierig in diesem Land. Ohne Frühstück kann man den Gast nicht ziehen lassen, wie sähe das denn aus. Und Proviant musste auch noch mitgegeben werden, schliesslich hatte ich unbedacht das Essen so gerühmt. Meinerseits durfte ich als Dank ein kleines Taschenmesser und eine Postkarte aus der Heimat übergeben, die Freude daran war anzusehen. Meinem GPS trauten sie nicht über den Weg, sie bestanden darauf, mich auf den richtigen Weg, beziehungsweise Strasse zu führen. Der kurze Stopp an der Wegkreuzung für die Verabschiedung nutzte nun seinerseits ein weiterer Iraner dazu, mich in seinem Land herzlichst willkommen zu heissen und mich zum Tee einzuladen. Mein Termin mit dem Mechaniker in Urmia zwang mich jedoch abzulehnen und so zog ich von dannen. Sein aufrichtiges Bedauern war ihm anzusehen, fragte mich interessiert über das Motorrad aus und tätschelte es derweil liebevoll wie ich es bisher nur bei einem teuren Rennpferd gesehen habe. Diese Faszination, Respekt und Interesse gegenüber dem Westlichen wird mir im Iran noch täglich mehrmals begegnen.


Gastgeber meiner ersten iranischen Nacht.

Hurtig dem Lake Urmia entlang in Richtung Urmia, mein Mechaniker wartet bestimmt schon. Der See selbst hat schöne Salzformationen, was wiederum bedeutet, dass der Salzgehalt für jegliches wirtschaftlich nutzbare Leben zu hoch ist. Die Zuflüsse werden für die Landwirtschaft genutzt, es verdunstet mehr Wasser als reinfliesst. Ein Schicksal von so manchem See in Zentralasien. Im wohl bestbekannten, zumindest bei den Überlandreisenden, Guesthouse Irans (www.overlandtoiran.com) angekommen, begrüsste mich der Vater von Hossein. Sein Sohn holte gerade an der Grenze vier Franzosen auf ihren BMWs ab, der findige Junge bietet nämlich diverse Services an (so zum Beispiel arrangiert er die Einreise für Leute ohne Carnet de Passage, nicht billig, aber es braucht kein hohes Deposit, wie sonst üblich) und deswegen ist er bis am Abend ausser Haus. Dem Väterchen scheint dies gelegen, denn während ich mich um zentrale Fragen betreffend der KTM kümmere (wo kommt bloss all dieses Öl her?), reicht er mir sein Smartphone, beklagt sich, dass eine App nicht funktioniere und ob ich sie zum Funktionieren bringe. Mal schauen, bin kein Experte darin, aber wer weiss. Mit Erstaunen registrierte ich, dass das Logo der App aus pixeligen Brüsten besteht, denn neben Alkoholkonsum wird auch unsittliches Verhalten schwer bestraft. Ich war mir ziemlich sicher, dass diese App als unsittlich betrachtet wurde und klickte darauf. Umgehend erscheint die Webseite der Sittenwächter, auch ohne Farsi lesen zu können, verstehe ich die Ursache des Problems. Der Mann ist sichtlich enttäuscht, als ich ihm erklärte, dass seine Regierung was gegen die App habe. Er gab mir zu verstehen, dass a) es nicht seine Regierung sei und b) er Brüste liebe. Ich dankte für diese Offenheit (eine grossartige Eigenschaft der Iraner) und meine kleine revolutionäre antiautoritäre Terroristenader begann sich bemerkbar zu machen. Mal schauen, wie diesem armen unterdrückten Mann geholfen werden kann, und siehe da, die Google-Bildsuche war nicht von der Zensur betroffen. Ein paar einschlägige Suchbegriffe eingetippt, Suche gestartet, Resultate dem Gebeutelten gezeigt und eine Supernova im Gesicht des Mannes aufgehen gesehen. Toll, untergraben des Systems mit Bildern von halbnackten Frauen, danke Google. Die nächste Frage traf mich unvorbereitet. Ob es denn wahr sei, wollte er zwischen zwei Bildern wissen, dass die Frauen in den europäischen Städten oben Ohne spazieren würden. Ich wollte umgehend die Namen dieser Städte wissen, vielleicht verfügt er über Informationen, welche mir bisher entgangen sind, aber wies scheint sind die Leute hier über Europa gleich schlecht informiert wie wir über den Iran. Das Terroristenparadies hier und der Swingerkontinent dort. Ich erzählte ihm von FKK-Stränden, er spart nun für Ferien in Odessa.

Nach der Rückkehr vom Abendessen mit den Franzosen die Überraschung: eine schrullige MZ parkte im Innenhof, der dazugehörige Fahrer war auch da! Mei, freute ich mich, den Ronny wieder zu sehen. Seine Zeit im Iran war leider um, er befand sich auf dem Weg zurück nach Deutschland. Als er am kaspischen Meer hörte, dass ich mich in Urmia befand, schwingte er sich auf sein Krad und fuhr ein paar hundert Kilometer um mich zu treffen. Viel gabs zu quatschen und nur wenig auf dem Dach unter dem grandiosen Sternenhimmel zu schlafen.


Keine Ruhe im Innenhof des overlandtoiran-Guesthouses.


DER Mechaniker für schwere Motorräder im Westen von Iran.

Der Besuch beim Mechaniker war für heute angesagt, die Werkstatt befand sich zur Hälfte auf dem Bürgersteig. Keiner der Passanten beschwerte sich, als ich die KTM teilzerlegte und den Steig unpassierbar machte. Wieder hatte ich meine ernste Zweifel, ob der Mann von der Technik eine Ahnung, denn wie bereits erwähnt, grösseres als 250 ccm gabs im Iran legal nicht zu fahren (Verbot wurde in den 70ern eingeführt, nachdem diverse Attentäter für ihre Tötungen schwere Motorräder als rasches Fortbewegungsmittel benutzt hatten). Genau gleich wie der Mechaniker in Georgien schüttelte er den Kopf, als er mein Motorenöl begutachtete. Die rote Farbe vom Motul kannte er nur von Hydrauliköl, kein Wunder, wollte er es unbedingt wechseln. All meine Versuche ihn diesbezüglich zu beruhigen wollten nicht recht anschlagen, ebenso wenig mein Bestehen auf vollsynthetisches Öl, eine Mangelware in Iran. Er schlug vor, dass ich nun Lunch essen gehe, und er in der Zwischenzeit die Ventile einstellen werde, mein eigentlicher Grund für den Besuch. Ich durchschaute ihn und gab ihm zu verstehen, dass ich genügend zum Frühstück gegessen habe, worauf er meinte, dass er mir so absolut keine Garantie für meinen Motor geben könne. Haha, ich kenne keinen Menschen auf dieser Welt, der so töricht wäre, auch nur 5 Minuten Laufgarantie auf den Motor meiner KTM zu geben. So stellte er die Ventile ein, das Klappern verschwand, und ich nach dem Bezahlen ebenso. Mit Ronny besuchte ich den Bazar von Urmia, welcher eine stattliche Grösse aufwies. Also der Bazar, nicht Ronny. In diesen Breitengraden ist der Basar nicht für Touristen, sondern für die Einheimischen. Ganze Gässchen mit Gewürzen, Nüssen, Teppichen, Schmiedewaren, Schmuck und vieles mehr. Verderbliches ist aussen am Komplex angeordnet, der Rest im Innern des Gebäudes. Erfreulicherweise wird man hier in keiner Art und Weise bedrängt oder genötigt. Einzig das übergrosse Interesse an der westlichen Person steht da. Woher kommst du, wie gefällts dir, willst du einen Chai? Kaum bleibt man stehen, lächelt, grüsst, gehts los. Gastfreundschaft, keine leere Floskel. In ähnlichem Mass wie man die Iraner fotografiert, so fotografieren sie dich, ein fairer Austausch. Der Kaufrausch hält sich in Grenzen, die Seitenkoffer erlauben keine Souvenirs. Dank Ronnys Reifenpanne im Süden Irans und dem damit verbundenen Abstecher zu einem Dattelexporteur verfügt er nun über einen untrüglichen Instinkt was gute Datteln betrifft. Ich jedenfalls war baff erstaunt, als der Kerl unter der Fülle des Angebots unglaublich weiche, saftig und süsse Früchte aussuchte, wusste nicht, dass die Dinger so gut schmecken können.


Basar von Urmia.


Im Innern geht es heiss zu und her.


Inklusive cooler Typen.
Die waren aber gerade nicht vor die Linse zu kriegen, also halt ein Selfie von Ronny und mir.


Geschäftiges Treiben, der Basar lebt.


Unendliches Sortiment


Annänger FC Bayern, im Dauerstreit mit...


...seinem Standnachbarn, Real Madrid-Fan.


Und der Vermittler vis-a-vis der beiden Fussballverrückten.

Nach einem kurzen Abstecher im Guesthouse besuchten wir ein lokales Restaurant, der Genuss hielt sich in Grenzen, allgemein ist bekannt, um im Iran gut essen zu können, muss man zu jemanden nach Hause eingeladen werden. Es ist in der Tat genauso. Unsere Lust auf eine Wasserpfeife führte uns in eine Hinterhofspelunke, vor der jeder vernünftige Reiseführer warnt, zum Glück, dadurch sind Touristen hier nicht gerade häufig und der gewisse Charme bleibt erhalten. Dank dem grossartigen „Mäi Faser“, dem Wirt und Komiker mit verkehrsunfallbedingtem unvorteilhaften Aussehen, hatten wir unseren Spass in dieser Nacht, ob der Rest der Stadt ihn mit uns teilte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Mäi Faser und zwei Unbekannte. Es sei versichert, dass einzig normaler Wasserpfeifentabak verwendet wurde, ohne jegliche weitere Zutaten.

Nach der Verabschiedung von Ronny zog ich am nächsten Tag in Richtung Südosten weiter. Hossein meinte, ich müsse unbedingt Tacht-i-Suleiman sehen, eine Ruine mit inliegendem Quellsee, immerhin Weltnaturerbe, oder etwas in dieser Art. Am nächsten Tag traf ich dort zusammen mit vielen anderen Touristen ein. Für mich wars ein altes Gemäuer, welches einen netten kleinen Tümpel umfriedete, kein Grund sich lange dort aufzuhalten. Das Gefängnis des Süleimans, respektive dem Solomon, fand ich schon beeindruckender: ein rund 70m hoher Schlot mit senkrechtem Krater, aber auch der gibt nicht viel an Geschichten her, zumindest nicht für mich.


Tacht-i-Suleiman


Gibt meiner Ansicht nach spannenderes.


z.B. das Gefängnis des Suleimans

Da versprach der auf dem Weg nach Hamedan neben mir angehaltene Rollerfahrer im Businessanzug schon wesentlich mehr. Eigentlich nur kurz angehalten um die Strasse mit der Karte zu vergleichen und schon hatte mich Sina, Computertechniker, zu sich nach Hause zu Übernachtung und Abendessen eingeladen. Im elterlichen Mehrfamilienhaus hatte er ein Studio, auf dessen Zimmerboden konnte ich für die Nacht mein Lager aufschlagen, die KTM wohlbehütet in der Garage direkt vor der Zimmertür. Kurze Zeit nach meinem Eintreffen erschien der Herr Vater von Sina um mich in seinem Haus herzlichst willkommen zu heissen, und, wie mir Sina später erklärte, die viel wichtigere Kontrolle, ob entgegen seiner Beteuerung nebst dem männlichen Gast nicht doch vielleicht noch eine weibliche Person zugegen sein könnte, war aber nicht. Papa zog von dannen und wir zusammen auf der KTM durch die Stadt, unvernünftiger Weise ohne Schutzausrüstung, aber dafür mit einem herrlichen Freiheitsgefühl. Kurz im Geschäft vorbei in welchem sein Bruder arbeitet, eh ja, schliesslich muss man den Exoten zeigen. Ich geniesse meinen Star-Status, werde überall herzlichst begrüsst, Chai angeboten und von einem Besitzer des Nachbargeschäfts ein kleines Multitool überreicht bekommen, einfach so, weil ich Gast bin. Das Motorrad wird selbstverständlich auch begutachtet und die Jungens beschliessen nach dem Abendessen ins Schwimmbad zu gehen, ob ich den auch mit von der Partie sei. Klar doch, hört sich spannend an. Beim Abendessen erklärte mir Sina diverse Benimmregeln im Iran, so zum Beispiel in der Öffentlichkeit keine Hände von Frauen schütteln, Schuhe vor dem Betreten der Häuser ausziehen, zum Essen mit angezogenen Beinen hinsitzen. Schneuzen, besonders laut und etwa noch beim Essen, gelte als äusserst unhöflich. Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, wie viele Male ich unbewusst in den letzten Tagen völlig selbstverständlich und automatisch die Nase geputzt habe, es dürfte sehr oft gewesen sein, denn dank leichter Erkältung lief mein Riecher beinahe ununterbrochen. Für die Erläuterungen war ich sehr dankbar, wie auch ab seinen vielen Ausführungen, Erklärungen und Zeit, welche er für mich aufbringt. Im Schwimmbad trafen wir mit unserer mittlerweile zu 6 Jungs angewachsene Gruppe um ca. 2200 ein. Es war Donnerstag, in Iran die gleiche Bedeutung wie in Europa der Samstag. Schuhe vor dem Hallenbad ausgezogen, in Socken rein, im Innern Ticket und Badelatschen ausgehändigt bekommen, alles ein wenig anders, vor allem der offensichtliche Mangel an Frauen. Klar, denen war der Zutritt verboten, die hatten ihr eigenes Bad. Ich stellte mich auf einen ziemlich tristen Aufenthalt ein, wurde jedoch vorteilhaft enttäuscht. Denn wenn Frauen fehlen, braucht das Männchen auch nicht zu imponieren und posieren. Die Atmosphäre war dementsprechend sehr entspannt, es glich eher einem grossen Kindergeburtstag, selten so ausgelassene Männer jeglichen Alters gesehen. Die Wasserrutsche und das Wellenbad galten als wahre Attraktion, beides nicht annähernd irgendwelchen Sicherheitsstandards entsprechend, brauchts ja auch nicht, Spass muss es machen. Sauna, Dampfbad, Kalt- und Heisswasserbecken waren inklusive, wobei ich von letzterem nach wie vor überzeugt bin, dass es sich um die Fritteuse des Restaurants gehandelt hatte, Wasser kann man unmöglich auf diese Temperatur bringen. Die Nacht auf dem Teppichboden verlief entspannt, ich war nach dem Baden, der Shisha im Park und der 2 stündigen Frage-Antwort-Runde der Jungens (Interessant: Gemäss ihren Informationen gibt es in den europäischen Städten öffentliche Plätze wo sich die Leute zum Sex treffen würden) auch ziemlich hinüber.

Beim Besuch der Motorradcrosspiste am Rande der Stadt am nächsten Morgen blockierte die Hinterradbremse, hatte mich schon gefragt, ob mit dem Motorrad was nicht stimmte, immerhin fuhr ich 72 Stunden ohne Panne. Der verdreckte Bremszylinder reparierte ein Kollege des Rennclubs innert kürzester Zeit am nächsten Tag, ich freute mich, wieder über eine Hinterradbremse zu verfügen. Ich mochte die Leute in Hamadan, trotzdem wollte ich weiter, schliesslich hatte ich wegen der Reparatur in Georgien nur 2 Wochen für das riesige Land.

Einschub: Eine Woche später schrieb mir Sina via Whatsapp, dass er sich ein Motorrad gekauft habe, eine indische Pulse 200 ccm. Er wolle Reisen, so wie ich, und da er das Land wegen der Visa nicht verlassen könne, werde er zuerst den Iran erforschen. Dann, wenn die Grenzen sich öffnen werden, sei er bereit für den Rest der Welt. Drei Tage später schickte er mir Fotos von seinem verlängerten Wochenende, 1800 km quer mit dem Motorrad durch den Iran. Ich war zutiefst gerührt, das Motorrad hat den Wert von 5 Monatslöhnen, Geld dass er für eine Hochzeit benötigt hätte. Aber wer will schon heiraten, wenn er ein Motorrad hat und damit auf Reise gehen kann.

Sein Bruder kaufte zwei Wochen später die gleiche Maschine. Sie starten in ein paar Tage zu einer gemeinsamen Reise in Richtung Norden.

Ich war darauf und dran das Land mit Sex und Motorrad zu destabilisieren.


Grüne Felder auf dem Weg nach Hamedan.


Zeit verbringen in Hamedan.


Nicht mal er wollte mir die Gurgel durchschneiden, sondern statt einer Bezahlung eine Euromünze als Andenken.


Die Süsswasserpiraten von Hamedan.


Abendliche Feier in der Moschee, Gäste herzlich willkommen, Fotografieren erlaubt, aber vorher die Schuhe ausziehen.


Said, damals noch mit Roller.


Statt dem Touristen einen höheren Preis zu verlangen, ist die Dienstleistung gratis. Als Dank für den Besuch.


v.l.n.r: Sina, Iranbegeisterter, Said

Die Landschaft auf der Fahrt in Richtung irakische Grenze wurde immer wüstenähnlicher, die Strasse führte durch karge Täler entlang von Autowracks entlang, Zeugen, dass hier die Chance durch einen Autounfall das Zeitliche zu segnen wesentlich höher sind als geköpft zu werden. 16'000 Verkehrstote, so hat man mir erzählt, kostet die Kombination von schlechten Strassen, noch schlechteren Fahrkünsten und furchtbaren Sicherheitsvorrichtungen der lokalen Autos jährlich. Jedoch investiere die Regierung lieber in die Aussenpolitik als in die Verkehrssicherheit. Kurz in der Nähe von Bisotun bei Felsenreliefs vorbeigeschaut, wer sich für solche Sachen interessiert, findet näheres via Google. In Kermanshah kriegte die KTM ihren Nachtplatz im Speisesaal des Hotels und ich von Politstudenten ein Eis spendiert. Eigentlich wollte ich es käuflich erwerben, aber das scheint mir in diesem Land nicht möglich. Bereits drei Tage zuvor war der Besitzer so erfreut über den ausländischen Gast, dass er mir verbot das Eis zu bezahlen. Ebenso hier, als die Studenten erfuhren, dass ich aus der Schweiz kam (ah, Lausanne!), wurde erst mal gedankt, und dann mein Eis bezahlt. Die Geste berührt mich jeweils ziemlich, denn ihre Löhne lassen es eigentlich nicht zu, einem einfach so ein Eis zu spendieren. Auf der Strasse nach Shush, mein Ziel war ein gut erhaltener Stufentempel (https://de.wikipedia.org/wiki/Tschogha_Zanbil), ähnlich dem Turm zu Babel, galt es eine Menge an altersschwachen und Strasse einnebelnden Lastwagen zu überholen. Später habe ich erfahren, dass die meisten aus dem Irak stammen und damit irgendein Embargo umgangen würde.


Noch rund 300 km zur irakischen Grenze.


Drive-In-Hotel.


Westen von Iran.


Kein Attentat, sondern die wohl einzig wirkliche Gefahr für Touristen im Iran: Verkehrsunfälle.


Die Landschaft wird karger.


Zwischendurch kleine Ansammlung von Häusern.


Im kleinen Örtchen Shush deckte ich mich mit Benzin, Wasser und Konserven ein, habe gehört, dass man in der Wüste beim Tempel übernachten könne. Gute Idee, aber wenn man im Iran kurz stoppt, kommt meistens alles ganz anders, der Ladenbesitzer rief seinen des englisch mächtigen Nachbarn, dass da ein Ausländer vor seinem Laden stehe. Anstatt die Polizei zu rufen oder eine Spontankundgebung gegen die Überfremdung zu starten, schloss der Ladenbesitzer seinen Laden, packte ein paar Snacks ein, der Nachbar holte sein Auto und zu viert (da war noch einer zufällig im Laden) fuhren wir zum Tempel raus. Das sei viel besser so, als dann in der Wüste zu übernachten, schliesslich gäbe es da gefährliches Getier und den Menschen dort sei auch nicht zu trauen. Dem Nachtwächter wurde nahe gelegt die Tourismusindustrie nicht zu schädigen und mich trotz Schliessung und Dunkelheit zum Tempel zu lassen, was er denn auch tat, gänzlich ohne Bezahlung von Schmiergeld oder dergleichen. Falls wir von anderen Wärtern angehalten werden sollten, hätten wir uns als seine Cousins vorzustellen. Fand ich gut, die gegenseitige Verwandtschaft war für jedermann auf den ersten Blick klar ersichtlich. Die Mutter von Ammin, meinem Gastgeber, rief an, wo wir den bleiben würden. Sie habe gekocht, ob er, Ammin der Unhöfliche, den wertvollen Gast eigentlich verhungern lassen wolle. Somit schleunigst zurück, weitere Freunde sind unterdessen eingetroffen, Delikatessen werden aufgetragen und mittlerweile kann ich sogar am und vom Boden essen, ohne dass die Beine komplett einschlafen. Ach, nach dem feinen Mahl entspannt schlafen legen, wie schön, aber wo denkst du hin, die Nacht ist noch jung, und wer weiss, wann der nächste Ausländer kommt. Mit zwei Personenwagen voll von Freunden losgedüst nach Dezful, die Kühle des Stadtflusses geniessen, Eis essen, trinken (nein, kein Bier) und sich unterhalten. Ein paar der Jungs stellen sich als Mitglieder einer Ex-Alkoholiker und -Drogenkonsumenten vor, ich vermutete bis dahin, dass im Iran einzig die Todesstrafe einem zu einem Ex-Alki macht. Der Informationsaustausch war auch in dieser Nacht sehr interessant, für beide Seiten, denke ich.

Die vier Cousins vor dem Stufentempel Chogha Zanbil.


Richtig iranisch essen tut man nur als Gast bei Iraner zu Hause.

Nach viel zu wenig Schlaf ruft bereits wieder die Strasse. Durch heisse Wüstenabschnitte wollte ich via die Erdölfelder nach Esfahan, gemäss diverser Quellen eine wunderschöne Stadt. Bei einem dieser kurzen Fotostopps in einem dieser kleinen Wüstendörfchen kam es wiederum zu einem dieser vielen Zusammentreffen mit Einheimischen. Ein Wagen stoppte neben mir, sofort stiegen zwei Jungs aus, etwas jünger als 20, so vermute ich. Einer begann mein Motorrad zu begrabschen, drückte alle Knöpfe und zog an allen Hebeln, gab mir zu verstehen, dass er unbedingt fahren wollte. Sein Kumpel grinste dämlich, grabschte ebenfalls ab und zu, ihr Fahrer informierte mich, dass die zwei zum IS gehörten und einer davon Osama bin Laden sei. Freundlich nach bekannter 3D-Strategie gab ich verbal zu verstehen, dass Distanz gewünscht sei. Dem Wunsch entsprach Ersterer in keiner Weise, er griff mir an den Helm und zog daran. Deeskalativ stiess ich ihn bestimmt zurück und forderte ihn auf, aufzuhören und wartete mit einer gewissen Anspannung auf seine Reaktion. Für Nichtmotorradfahrer sei hier erklärt, dass die eigenen Chancen bei einer tätlichen Auseinandersetzung ziemlich beschränkt sind, solange man ein hochbeiniges instabiles Motorrad von ca. 240 kg Kampfgewicht zwischen den Beinen balancierte. Ich versuchte die Situation abzuschätzen, möglicherweise verstanden sie mich wegen der Sprachbarriere nicht, waren betrunken oder geistig nicht auf der Höhe, so oder so, musste ich eine Kommunikationsebene finden, auf der sie mich verstanden. Als der dreiste Junge an den Lenker und den Anlasser griff, streckte ich meinen rechten Arm ein wenig aus, die behandschuhte Faust traf ihn frontal auf den Mund, die Protektoren sorgen für den Schutz meiner zusammengerollten Finger und das Brechen seiner Schneidezähne. Auf seinem Weg zum staubigen Boden, kurz bevor seine Lichter ausgingen, sah ich in seinem Gesicht, dass er nun verstand. Ich hatte die Sprachbarriere überwunden.

Naja, ganz so war es natürlich nicht. Ich schlage nicht einfach so unbegründet zu. Stattdessen zog ich aus der Seitenverkleidung der KTM meinen Argumentationsverstärker in Form einer Glock 19 hervor. Die Jungs verstanden beim Anblick des schwarzen Gegenstandes auf Anhieb.

Keine Sorge, auch so war es nicht. Die langen Fahrten durch die heisse Wüste fördern die Fantasie. Denn stattdessen hatte schlicht der Fahrer der beiden Jungs die Schnauze voll von ihrem Verhalten. Er stieg in sein Auto und fuhr davon. Als die Jungs perplex dem Wagen nachschauten, nutzte ich die paar Sekunden um meine Maschine zu starten und loszufahren. Einer der Kerle stellte sich mir in den Weg, ein kurzes Aufdrehen des Gasgebers lieferte die nötige Kraft um ihn über den Haufen zu fahren. Beim weiteren Beschleunigen hörte ich das Knacken brechender Schienbeine als das Hinterrad die Pferdestärken auf den Boden, respektive seiner Extremitäten brachte.

Der letzte Teil ist nicht wahr. Niemand wurde verletzt, nicht einmal der Stolz. Oder zumindest ich nicht.

Weiter durch Wüste, danach stieg die Strasse rasant hoch in bergiges Gebiet, von Sandwüste zu Steinwüste. Die Strasse war ganz passabel, so machte die KTM freudig Kilometer. Leider fuhr man auch hier, wie an vielen Stellen und Ländern zuvor, an viel Abfall vorbei. Mit Vorlieben wird er einen Abhang in einen trockenen Bach- oder Flusslauf gekippt, der nächste Regen erledigt der Rest. Aus der Nase, aus dem Sinne. Nach erster Unmut wurde ich mir wieder einmal bewusst, dass wir den Luxus von Abfallverwertung und -trennung auch noch nicht so lange kennen. Manchmal vergisst man sehr schnell.


Als wäre es nicht schon heiss genug, heizen die hier auch noch.


Und in der Schweiz geht das Gejammer los wegen drei Tagen über 30° Celsius.


Wieder etwas grüner.

Es war bereits Nacht, als ich Esfahan nach rund 580 km Tagesetappe erreichte. Ein paar Hotels waren ausgebucht, mittels nettem und nicht teurem Taxifahrer (sowas gibts hier, jawohl) fand ich ein angenehmes Hotel. Die kurzen Nächte forderten Nachholung, so wurde es am nächsten Tag halb zwei bis ich mich aus dem Bett trollte. Tag der Ruhe und Entspannung war angesagt, ich merkte, dass ich trotz hungrig auf immer mehr Erlebnisse und Geschichten nichts mehr aufnehmen kann. Zwischenzeitlich vergass ich sowas wie Wochenende für die Verarbeitung einzulegen.

Esfahan fand ich enttäuschend. Ich besuchte zu Fuss die grossen Plätze mit der Synagoge und dem Basar, sonderlich gefallen hats mir nicht. Natürlich, die schiere Grösse ist beeindruckend, aber es fehlte Leben. Gemacht und betrieben für Touristen fand ich hier vom Iran keine Spur. Teppich aufschwatzen wollten sie mir, den kriege man auch auf ein Motorrad gebunden oder sonst wie transportiert, Schund und Tand, statt Handwerk im Basar, nein danke. Lichtblick gab es bei den berühmten und eindrücklichen Brücken. Die Esfahaner befanden sich allesamt dort, picknickten in den Grünanlagen um die Brücken oder sassen auf den Treppen am Fluss. Somit dauerte es dort auch nur aller kürzeste Zeit und ich war mit Leuten im Gespräch, wurde zum Sitzen und plaudern aufgefordert, von der Seite steckte mir ein eigentlich Unbeteiligter immer wieder Essen zu und ein dritter fragte für eine Kopie der Fotos, seine Kamera sei kaputt. Sofort mochte ich Esfahan ein Stückchen mehr.


So würden anscheinend viele Iraner ihn gerne sehen.


Sammelpunkt am kühlenden Fluss, die Brücken von Esfahan.


Leben in Esfahan.

Über einen gut ausgebauten Highway durch eine zuerst khakifarbene, dann steingraue Wüste, an diversen Militäranlagen und Flugabwehrstellungen vorbei (zu wessen Schutz sie dort in der glühenden Wüste stehen war mir nicht ersichtlich, da könnte vermutlich die NSA oder der Mossad besser Auskunft geben) ratterte ich zum kleinen Städtchen Kashan. Viele der Bauten in der Altstadt sind mit Lehm verputzt, es gibt ansprechende verwinkelte Häuser mit einem schönen Garten im Innenhof, so auch das von mir bezogene Guesthouse. Das Zentrum war schnell erkundet, der Rest des Abends durfte ich am Wasserbecken unter Bäumen geniessen.

Mit dem unbeladenen Motorrad schleuderte ich am nächsten Morgen auf der Sandpiste dem nahen ausgetrockneten Salzsee entgegen. So ohne Gewicht ist der Spassfaktor wesentlich höher, an rumliegenden Kamelen vorbei zu alter, aber renovierter Karawanserei, dort dankbar ein paar kühle Getränke genossen. Festgestellt, dass man in den ehemaligen Räumen der Kamelführer nun auch als Motorradführer übernachten kann. Ich merkte mir das für meinen nächsten Besuch. Den Salzsee fand ich auch noch, eine riesige schwarz-graue Fläche, welche immer wieder durch starken Regen aufgeweicht wird, um ein paar Tage später erneut auszutrocknen. So kann der Untergrund trügerisch matschig oder steinhart sein. Ein Totenkopfsymbol verklickert dies auch den Menschen ohne Farsi Kenntnissen. Für Motorräder ist es übrigens nicht sonderlich lebenserhaltend in Salzmatsch rumzufahren. Trotz abwaschen verabschiedete sich der Geschwindigkeitssensor am Vorderrad ein paar Tage später. Aber wer braucht schon Angaben über Geschwindigkeit und gefahrene Kilometer. Auf der Rückfahrt stoppte ich kurz in einem kleinen Cafè, oder wie man diese kleinen Behausungen mit winzigem Grill auch nennen mag. Der „traditional chai“ wurde mit dem Bunsenbrenner angeheizt, daneben brutzelte der Koch für mich einen kleinen Fleischspiess mit jungem Kamel, sehr schmackhaft übrigens (möglicherweise wird in der nächsten Grillsaison dem Zoo ein junges Höckertier fehlen). Die Jungens von der lokalen Roten Halbmond-Station (Blechcontainer und Landcruiser, mehr nicht) kamen rüber, quatschen und Fotos vor und auf dem Motorrad machen, bis sich dann vom Osten her der Himmel eigentümlich terracottafarben verfärbte. Die Verfärbung kam mir bekannt vor, in einem Band Tintin war davon die Rede. Oh ja, das sei ein Sandsturm, der da käme. Nein, ein ordentlicher. Wegfahren? Auf keinen Fall, viel zu gefährlich. Unbedingt warten, dauert nur 30 Minuten, oder eine Stunde, genau sagen könne man so etwas nicht. Abwarten, reden und Tee trinken, schlafen kannst du auch hier, keine Sorge. Dann entbrannte ein freundschaftlicher Streit, ob der Schweizer seinen ersten Sandsturm nun im Container des Roten Halbmondes, oder im Cafè erleben durfte. Roter Halbmond gewann. Sie behielten Recht, der Sturm durfte als solcher bezeichnet werden. Weiter als 5 m sah ich nicht, der Sand drang durch die Fensterritze und Klimaanlage, der feine Staub füllte die Luft im Innern und der Container rüttelte ganz beträchtlich. Drinnen wars gemütlich, Tee trinken, schwatzen, Bilder von Unfällen anschauen und dem einen Retter beim Beten zuschauen (auf dessen Betstein, der für den Stirn-Boden-Kontakt, bin ich irrtümlicherweise mit meinen Miefesocken draufgetreten, dachte zuerst, welcher Depp hier Kiesel reinschleifte, aber niemand hat irgendwas bemerkt). Nach dem stündigen Sturm musste 38 kg Wüste aus den Motorradstiefel geleert werden, will ja keinen Ärger beim Zoll wegen der Ausfuhr von historischem Sand. Nach der üblichen Verabschiedung (die Kerle hofften insgeheim auf einen weiteren Sturm der mich zum Bleiben bewegte) gings ratzfatz ins Guesthouse, ein wenig quatschen mit anderen Touristen und am nächsten Tag nach Tehran.


Brav vor der Türe warten.


Lebendiges Städtchen umgeben von Wüste.


Strohlehmverputzte Häuser bilden schmale Gässchen.


Weder Fata Morgana noch aus Zoo ausgebrochen.


Quo Vadis? Mond links, Mars rechts.


Führt mitten durch den Salzsee.


Kann trügerisch schlammig oder betonhart sein.


Junges Kamel. Am Spiess, nicht mit Sonnebrille.


Team vom Roten Halbmond und Cafèbesitzer. Und Kamel.

Riesige versmogte Stadt mit schlimmem Verkehrschaos, das habe ich über die Stadt gehört. Und aufregende Parties in den Villen der Finanz- und Einflussreichen, mal schauen was sich da ergibt.

Der Verkehr war entgegen meinen Erwartungen ziemlich zahm, auch der Smog erträglich. Meine Suche nach Postkarten (da bin ich altmodisch und finde Postkarten aus fernen Ländern unheimlich toll) gestaltete sich wieder einmal als schwierig. Ist nicht gerade so wie in Interlaken mit Souvenirläden an jeder Ecke, rund 2 Stunden habe ich gesucht (dabei nicht nur nach Postkarten), bis ich fündig wurde. Im eigenen Hotel. Zu meinem Bedauern wurde ich zu keiner Party eingeladen, wahrscheinlich war mein Aufenthalt zu kurz. Dafür hat sich mir in den nächtlichen Parks ein weiteres Bild vom Iran gezeigt. An keinem anderen Ort waren die Menschen so frei unterwegs wie in der Hauptstadt. Im diffusen Licht sah man junge Leute beim Volley- oder Federball spielen, manche der Frauen dabei sogar ohne Kopftuch. Ab und wann begegnete ich, ziemlich sicher unverheiratete, Händchen haltend umherschlendernden Päärchen, allesamt kleine Zeichen von zivilem Ungehorsam und Freiheit. Von privaten Rockkonzerten, Modeschauen, Partys mit Alkohol- und Drogenkonsum, davon habe ich gehört, Transvestiten und Homosexuelle habe ich auf den Strassen gesehen, mein Erstaunen war gross, ab so viel Mut. Wie mir Einheimische erzählt haben, seien all diese Freiheiten Privilegien der reichen Oberschicht. Ohne Einfluss und Geld wird man verhaftet, andernfalls wird man gar nicht erst kontrolliert, auch Sittenwächter können ihren Job verlieren.

Das Transitvisum für Turkmenistan gab meinen Terminkalender vor, so blieben nur knapp 24 Stunden für Tehran, fürs Touristische genügend, für Geschichten viel zu wenig.


Tehran vom Fernsehturm aus gesehen.

Auf dem Weg zum Kaspischen Meer führte die Strasse in die Berge, nach all der Hitze und Wüste eine willkommene Abwechslung. Eine gesperrte Strasse zwang mich zu einem Umweg, ein wenig länger, dafür landschaftlich interessanter, durch ein grünes Tal. Zum Eindunkeln hin führte die Strasse entlang von Reisfeldern, die Luft wurde warm und feucht, man spürte die Nähe zum Meer, respektive zum See, denn das Kaspische Meer gilt als See, sogar als grösster der Welt. Am Morgen schweisste ein netter Metallarbeiter (mit einer eindrücklich aufgeräumten und gut bestückten Werkstatt) meinen ach so robusten Kofferträger von Touratech, eine Fixierung ist alleine durch die Vibrationen quer durchgebrochen, komplett ohne drauf zu fallen oder ähnlichem. Bezahlen lag auch hier nicht drin, nicht weil bei mir Ebbe war, sondern weil der Mech nichts wollte. Und nein, in all diesen Fällen war es kein hin- und hergeplänkel, wo man am Schluss dann doch bezahlt. Dachte ich ja zuerst auch, als sie aber dann manchmal begannen das Geld wieder in meine Hosentaschen zu stecken oder gar meine Hände fest zu halten während ein Kollege bezahlte (auch das kam vor), vermutete ich, dass es ihnen ernst war.


Endlich wieder einmal kühle Luft, im Hintergrund der Damavand, höchster Berg Irans.


Pures Leben von schweizer Firma in Flaschen abgefüllt, der Rohstoff stammt aus einem Gebirgsbach, keine 10 km von hier.


Nicht Vietnam, auch im Iran gibts Reisfelder.


Brackwasser des südlichen Kaspischen Meeres.


Wieder nicht Vietnam, sondern Eingang zu meinem Hotel.

Nach den toten Fischen und Vögel am Kaspischen Meer, der südöstliche brackige Teil muss man echt nicht gesehen haben, säumten 100e Kilometer Getreidefelder die Strasse, färbten die ganze Landschaft strohig, bis ich gegen Abend ein Hotel in Minudasht aufsuchte, welches eher nach Lost Place aussah, als noch aktiv betrieben. Der Charme hatte sein eigenes, wie die halb zugewachsenen Metallspielgeräte für Kinder, die herunterhängenden Kabel oder das Licht und der Ventilator hinter der Reception, die, so bin ich überzeugt, letzthin für einen Thriller gebraucht worden waren. Sehr spannend, die Angestellten schienen sich nach den Dreharbeiten nicht abgeschminkt zu haben, aber das Hotel ist eh nur für eine Nacht, mit abgesatteltem Gepäck machte ich mich am Morgen einen Ausflug zu einem uralten armenischen Friedhof im Nirgendwo. Die 70 km führten den bekannten Getreidefeldern entlang, bis sich urplötzlich Schluchten auftaten und die Landschaft hügeliger und interessanter wurde. Nach einer Abzweigung war die Strasse nur noch Piste und ich froh, das Motorrad leicht zu haben, dementsprechend der Spass die letzten paar Kilometer zu fahren. Scharfe Biegung umfahren, dann erstreckte sich eine riesige Hügellandschaft vor mir, wie ein Meer sah es aus, statt der blauen Wellen tausende von braungrauen staubigen Hügel. An weiterfahren war kurz nicht zu denken, so sehr berührte mich die Aussicht. Ein paar Minuten und ein paar mehr Fotos fühlte ich mich fähig, bis zur kleinen Moschee und einer Koranschule (zumindest vermute ich, dass es eine war) den Gipfel hochzufahren. Von einem ein wenig englisch sprechenden jungen Mann, bekleidet mit einem Galabiyya, ein nachtkleidähnliches Hemd, aufgeschlossenes Gesicht mit spärlichem Bart, wurde ich freundlich begrüsst. Als er wegen der Hitze ein Kopftuch um seinen Schädel band und wegen der gleissenden Sonne seine Sonnenbrille aufsetzte, blickte ich in meine Karikatur eines islamischen Terroristen. Beim Umsehen bemerkte ich am Abhang neben meines Motorrades ein mannhohes aufgestelltes T-Stück aus Eisen, an beiden T-Enden jeweils einen Fleischerhacken angebracht, das Eisen und der Boden darunter dunkelbraunrot verfärbt und verkrustet, müsste mich schwer irren, wenn das kein Blut war. Zur Schlachtung von Tieren, natürlich, wer denkt da schon an was anderes, so abgelegen auf einem Berg, mitten in einem islamischen Land? Ich. Und die Bilder, welche sich ungewollt in meinem inneren Auge zeigten, gefielen mir gar nicht. Und als mich der nette junge Mann mit feinem Lächeln aufforderte mit ihm zu diesem Friedhof zu gehen, wurden die Bilder in keiner Weise besser. Der Pfad dorthin war schmal, sandig und steil. Die Monumente dann beeindruckend, statt der bekannten Grabsteinen verwendeten die Armenier steinige Phallussymbole, auch ohne Hang zu unkeuschen Gedanken klar als solche zu erkennen, manche über zwei Meter lang. Fragt sich, ob sie Abbilder oder Wünsche der Begrabenen darstellten. Auf dem Weg zurück driftete das Gespräch von üblichem Smalltalk in Richtung Religion, ein Thema von dem alle Welt rät, in fremden Kulturen darauf zu verzichten. Im Iran jedoch wird gerne nach der Religion gefragt und in privatem Rahmen auch gerne darüber diskutiert. Dabei zeigte sich mir, dass viele sich nicht wirklich als Moslem ansahen, sondern vielmehr sich von der Regierung dazu gezwungen sahen. Der junge Mann an meiner Seite machte keinen Anschein, zu seiner religiösen Überzeugung gezwungen worden zu sein. Er erklärte mir, dass er, 27ig, den Koran studiere, verheiratet sei, zwei Kinder habe, Allah gross sei und er mich sehr mochte. Wir seien nun wie Brüder vor Allah, ich solle ihm nachsprechen. Ich spreche oder verstehe kein Farsi. Auch nicht Arabisch. Trotzdem verstand ich, dass das was er mit hochgestreckten Armen gegen den Himmel rief, die Glaubensbekenntnis des Islams war. Wer sie aufrichtig öffentlich ausrief, so denke ich zu wissen, reicht aus um als Muslim zu gelten. Von Aufrichtigkeit meinerseits kann in keiner Art und Weise gesprochen werden, als ich auf wiederholtes Drängen meines Begleiters die Worte nachsprach, meine Überlebenschancen bei meiner Rückkehr auf dem Berg als getaufter Christ, gläubiger Ignostiker oder kurzzeitiger Muslim abwägend. Er schien hoch erfreut, keine Ahnung wie ich das zu deuten hatte, er sprach weiter von Allah, dass er gross sei, Allah mich gerne habe und Allah gerne Schmerz habe. Beim Letzteren war ich nicht sicher ob ich richtig verstand, zur Beruhigung diente es jedenfalls nicht. Was sollte ich bloss tun, wenn oben auf dem Berg die ganze fanatische Meute versammelt war? Genügend Zeit um sich zu organisieren hatten sie ja, was hatten sie vor? Ich beschloss nicht gross abzuwarten, sondern dem Erstbesten mächtig in die Eier zu treten und mein Heil in der Flucht zu suchen, den meine aktuelle Bewaffnung in Form eines guten alten Schweizer Taschenmesser liess eine direkte Konfrontation mit Kalaschnikows, denn die hatten sie bestimmt, nicht zu. Innerlich rekapitulierte ich mein Wissen aus der in der Jugend gesammelten Informationen aus Survivalbüchern der guten alten US Army fürs Überleben in der Wüste hinter feindlichen Linien. Die Prognosen waren nicht rosig und die Aussicht auf dem Berg auch nicht. Tatsächlich hatten sich mittlerweile rund 15 Personen versammelt, mein Begleiter rief ihnen etwas zu, Gelächter war die Antwort. Einer kam mit einer Fotokamera hinzu, eine anständige Videokamera für die Hinrichtungszene hatten sie wohl nicht, diese Anfänger. Freundlich lächelnd kamen sie näher, ich suchte ihren Anführer um seine Klöten in die obere Hälfte seines Brustkasten zu transferieren, unterliess es aber dann doch, als ich sah, dass nicht ich der Mittelpunkt, sondern die KTM war. Es folgten die üblichen Fragen, Anerkennungen und Fotos über und mit der KTM, freundliche Gesten, ob ich Wasser wolle, wie es mir gefalle, dass sie sich über meinen Besuch freuen würden, und und und. Alles wie schon dutzendfach im Iran erlebt, kein Unterschied. Keine Terroristengefahr, nur in diesem blöden mitteleuropäischen Angstklumpen, den die Medizin Hirn nennt. Ich fühlte mich ordentlich schäbig und versetzte mir zur Heilung einen anständigen Schlag auf den Hinterkopf, der wiederum zu skeptischen Gesichtern meiner Gastgeber führte. „Warum tust du dir weh, mein Freund, das macht man doch nicht? Schmerz ist nicht gut.“ Offensichtlich hatte ich meinen Begleiter falsch verstanden. Nach der gegenseitig freundlichen Verabschiedung fuhr ich langsam Richtung Hotel los und hörte in meinem Rücken das unverkennbare Klicken beim Entsichern einer AK 47. Nach der ersten Kurve hielt ich noch einmal an, zog den Helm ab und versetzte mir noch einmal eine schlagkräftige Medizin. Dann wars besser.


Hügelmeer.


Leuchtturm in der Brandung.


Mein Bruder vor den armenischen Grabmählern.

Mit Vollgepäck tuckerte ich in Richtung Grenze zu Turkmenistan, der Weg führte durch ein weites Tal mit einem Naturschutzgebiet (bei all dem Abfall fragte ich mich wo der Schutz blieb), über ein karges Hochplateau in eine nächste Stadt. Man kennt es schon, kurzer Stopp um ein Eis zu kaufen, Leute kommen auf mich zu, nein, eigentlich auf die KTM (wenn ich auf einem fliegenden Teppich durch die Gegend reiste, ich würde weniger Aufmerksamkeit auf mich ziehen), und der englisch Sprechende aus der Gruppe, fragte mich, ob ich schon ein Nachtlager hätte. Negativ, wollte dann in Quchan, ca. 70 km vor der Grenze, ein Hotel beziehen, aber weshalb nicht schauen, wozu das führt. Fahr hinter uns her, wurde mir beschieden, du kannst bei uns schlafen. Zu meinem Erstaunen fuhren wir aus Quchan durch, am Stadtrand stoppte der Wagen und mein Dolmetscher informierte mich, dass sie Campen gehen würden. Es seien ein paar Feiertage hintereinander (einer davon war ein Todestag eines politischen Führers, aber statt der erwarteten Trauer wurde gefeiert), da würden sie jeweils gerne in der Natur ein wenig festen. Klang verlockend, wie könnte ich da widerstehen. Die Fahrt war abseits der normalen Strasse rund 3 km jeglicher Behausung an einem schönen Bach zu Ende, zwei Zelte standen schon dort, freudig wurde ich begrüsst. Alle von der gleichen Familie, Onkels, Schwagers, Cousins, keine Frauen. Die Leute äusserten sich als sehr offen und modern, ich trautem mich über den Verbleib des weiblichen Teils der Familie zu erkunden. Die seien manchmal auch beim Camping dabei, aber heute wollten die Männer tanzen, rauchen und Alkohol trinken, da würden die Frauen und Kinder nur stören, klar, sowas kommt vor. Moment, Alkohol? Natürlich, sie mochten Alkohol, erzählten sie mir, ein wenig fürs Feiern gehöre doch dazu, sie hätten erstklassige Schmuggelware dabei. Und hier sei keine Gefahr, sie kämen seit vielen Jahren hier hin. Aber ja, die Bestrafung sei hart, mit der Peitsche sei ohne weiteres zu rechnen und teuer sei es sowieso, aber ich solle mir keine Sorgen machen.
Unmengen von Hähnchen-Schaschlick wurde ausgepackt, als Beilagen gab es Brot und frischen Tomaten-Gurken-Salat, dazu Whisky und Vodka aus Plastikbeuteln. Mit dem Risiko, auf Grund des folgenden hier veröffentlichten Geständnis nie mehr eine Erlaubnis für einen weiteren Besuch dieses wunderbaren Landes mit seinen freundlichsten Bewohner zu erhalten, trotzdem: Ja, ich habe im Iran Alkohol getrunken, nur ein zwei Schluck, aber es war Schnaps. Nicht weil die Qualität des Angebots so verlockend war oder die Entzugserscheinungen nach 14 Tage alkoholischer Trockenheit noch anhielten, noch um mich gegen das Regime aufzulehnen, sondern einfach so um im Iran Alkohol getrunken zu haben. Die Unterhaltung war spannend, viel Sprit war für meine iranischen Freunde nicht nötig und sie begannen zu tanzen, oder wie man die mehr oder weniger koordinierten Bewegungen nennen will. Ein kleines Luxusteil, welches ich unter Gewichtsaspekten betrachtet unnötigerweise mitführte, bestand aus eine UE Boom, einem netten Bluetooth Lautsprecher von beachtlicher Audioqualität, heia, damit kam die Party richtig zum Laufen! Die Stimmung stieg himmelhoch, bis, ich will es nochmals erwähnt haben, wir befanden uns im absoluten nirgendwo, 50 km von der nächsten Stadt, hinter uns auf dem miesen Schottersträsschen ein Personenwagen stoppte. Die Iraner dachten an weitere Partylöwen, ich an Polizei. Ich hatte recht. Thats's a Bingo!, drei Stück stiegen aus, die Stimmung kühlte trotz der sommerlichen Nacht merklich ab, ich holte meinen Pass beim Motorrad, die Panik und der Alkoholgeruch roch ich bis dort. Selber war ich sehr ruhig, aus Erfahrung wusste ich, dass die geringe Menge bei mir bereits abgebaut und nichts mehr zu riechen war. Die unbedarften Iraner diskutierten bereits mit dem Chef der Patrouille, viel zu nah, selbst ohne Geruchssinn musste er den Alkoholkonsum so mitbekommen haben. Freundlich stellte ich mich vor, zeigte meine Dokumente, der Beamte mit viel Gold auf den Schultern musterte mich eindringlich, gab mir die Dokumente zurück, sagte etwas auf Farsi und alle drei Partycrasher verschwanden in ihrem Wagen in der Nacht. Meine Mitcamper scheinen ein wenig konfus, ich wollte wissen, was der uniformierte Herr gesagt hat, mir wurde übersetzt, dass er alle des Alkoholkonsum bezichtigt hatte, er wolle jetzt Verstärkung holen um uns alle zu verhaften. Na, das waren doch gute Neuigkeiten! Meinen bescheidenen Einschätzungen nach hätten die Drei locker gereicht um uns der Justiz zuzuführen, aber allem Anschein nach erteilte er uns eine Chance zur Flucht. Ich kann nur raten, weshalb sich der Vertreter der Staatsmacht dazu entschieden hat: Selber von dieser Antialkoholregel nicht überzeugt, viel Papierkram auf sich zukommen sehend, keine Probleme internationaler Art wegen diesem dämlichen Schweizer provozieren wollend, oder eine vierte Möglichkeit. Die Lagebeurteilung war schnell gemacht, die Iraner standen immer noch wie paralysierte Hühner im Gelände, ich empfahl die Finken zu klopfen, sie nahmen die Empfehlung gerne an und die nächsten 217 Sekunden glichen der Evakuation der Titanic. Jegliches Beweismaterial wurde in den Fluss geschmissen, das Zeugs hastig in die Fahrzeuge geworfen, die Hälfte zurückgelassen und mit durchdrehenden Reifen losgefahren. Ich brauchte ein wenig länger, ein Motorrad ist nicht in 3 Minuten gepackt, jedenfalls meines nicht, oder konkreter, ich kanns nicht. Auch nicht nötig, ich wäre schwer erstaunt gewesen, wenn die Streife innerhalb 30 Minuten zurückgekommen wäre. Der noch brauchbare Rest des zurückgelassenen Materials packte ich oben drauf und machte mich auf die Suche nach den Flüchtlingen. Es dauerte eineinhalb Stunden und etliche getätigte Telefonate, bis ich die Jungs in dieser Abgeschiedenheit wieder gefunden hatte. Die Wölfe versteckten sich unter den Schafen, stellten ihre Zelte in mitten von dutzenden anderen bei einer Moschee, allesamt von braven Pilgern, wer sollte da böse Gesetzesbrecher vermuten. Mein Dolmetscher war immer noch sehr beunruhigt, wollte wissen ob ich verfolgt worden war, ob ich nicht doch vielleicht ein Spion sei und dass er ein sehr schlechtes Gewissen habe, mich einfach zurückgelassen zu haben. Ich beruhigte ihn in sämtlichen Belangen und war erstaunt, dass die anderen es gelassener nahmen. Die Lösung befand sich in einem ihrer Zelte in Form eines Gasbrenners, einem Metalldraht, schwarzer Melasse und ein paar Röhrchen. Ab ihren Nerven war ich doch erstaunt, schliesslich entkamen sie vor knapp zwei Stunden einer Auspeitschung und nun rauchten sie mit schläfrigem Blick reinstes Opium. Das freundliche Angebot mich teilhaben zu lassen lehnte ich bei all meiner Experimentierfreudigkeit doch ab, schliesslich musste ich bald wieder aufs Motorrad und es galt eine Grenze zu überqueren. Die Nacht verlief ohne weitere Herzbeschleuniger und ich fand tatsächlich noch ein paar wenige Stunden Schlaf. Um 0800 war bereits geschäftiges Treiben, die Zelte um uns wurden abgebaut und selbst die Opiumraucher waren erstaunlich fit, der Einfluss von illegalen Substanzen war ihnen nicht anzusehen.


Menschenauflauf bei einem dieser kurzen Stopps. Nachdem auch noch Autos anhielten und die Stasse unpassierbar wurde, verabschiedete ich mich.


Die letzte Nacht im Iran hatte es in sich.


Nicht alle gar, aber trotzdem ein Genuss.

Nach knackigem Frühstück (die Reste wurden mir mitgegeben, man wisse nie ob es bei den Turkmenen was geniessbares gebe), brachte ich die letzten Kilometer im Iran hinter mich, tankte aus einer grossen Petflasche Benzin zu halsabschneiderischem Preis, meinen Unmut bekamen dann die Schleppergeier an der Grenze zu spüren, welche für ein Heidengeld bereit waren die Zollformalitäten für mich zu erledigen. Kann ich selber, weiss schon wie, werdet schon sehen, und nein, von mir gibts keinen einzigen Rial. Zu meinem Erstaunen konnte ich es tatsächlich und befand mich nach schnellen 30 europäischen Minuten am Tor zu den Turkmenen.

Ach, der Iran! Zwei Wochen sind viel zu kurz, man braucht massig mehr Zeit um all die täglichen Abenteuer zu erleben, das riesige Land zu entdecken, die unzähligen Einladungen annehmen zu können, diese gigantische Gastfreundschaft zu erleben. Meine Erzählungen sind ein müder und kläglicher Abklatsch des wirklich Erlebten. Schnappt euch ein Motorrad (es öffnet Tür und Tor), fahrt rasch in den Iran, nehmt genügend Zeit mit und lasst euch treiben, reserviert keine Hotels, macht keine Pläne, lasst das Leben euch führen, im Iran werdet ihr es nicht bereuen.


> Nächste Etappe 

Kommentar eintragen



*